ver.di-Online-Handlungshilfe
zur Gefährdungsbeurteilung

Akutes Problem bei der Arbeit: Psychisch wirkende Belastungen

psychische Fehlbeanspruchungen * psychische Erkrankungen * psychische Belastung * DIN EN ISO 10075 * Pflegeberufe * Stress und seine Folgen * Beteiligung der Beschäftigten * Arbeitsschutz-Maßnahmen gegen psychische Fehlbeanspruchungen * Messbarkeit von (psychischen) Fehlbeanspruchungen

In den Betrieben und Dienststellen leiden die Beschäftigten unter Stress, Zeitdruck, Arbeitsverdichtung u. a. m. - so jedenfalls würde man dies umgangssprachlich nennen. Fachsprachlich gelten auch hier die Inhalte und Begriffsbestimmungen des Abschnitts „Gefährdung, Belastung, Beanspruchung und Ressourcen“. Daraus folgt: Was hier dringend abzustellen ist, sind ergo Fehlbeanspruchungen, die krank machen können und es leider auch oft tun.

Welche (fachsprachlich neutral zu verstehenden) Belastungen stecken dahinter?

Stress, Zeitdruck, Arbeitsverdichtung - dahinterliegende Belastungen könnten beispielsweise viele Aufgaben mit häufigen Aufgabenwechseln sein. Tatsächlich könnte daraus auch positive Beanspruchung folgen: Die jeweilige Tätigkeit ist nicht monoton, sie ist anregend etc. In der betrieblichen Realität sieht es hingegen oft anders aus: Zu viele Aufgaben in Relation zu der zur Verfügung stehenden Arbeitszeit, zu viele Aufgabenwechsel: Ohne Abschluss der vorherigen und Einstieg in die neue Aufgabe ("fliegender Wechsel"), zu viele Unterbrechungen oder auch gleichzeitiges Bearbeiten mehrerer Aufgaben ("Parallelmanagement").

Weder für die Gesundheit der Beschäftigten noch die Effektivität des Arbeitens ist das gut: Deutlich zeigen sich hier Mängel in der Arbeitsgestaltung!

Aus Arbeitsschutz-Sicht macht es keinen Unterschied, ob sich Gefährdungen eher physisch/körperlich und/oder psychisch auswirken: Generell sind Gefährdungen abzustellen und sofern dies nicht möglich ist, möglichst weitgehend zu minimieren (vgl. ArbSchG, § 4, 1). Eine trennscharfe Unterscheidung zwischen einer physischen oder psychischen Auswirkung ist sowieso medizinisch nur selten möglich: Krankheitsgeschehen, die sich ausschließlich auf einen der beiden Bereiche beschränken, dürften schlecht zu finden sein. Darüber hinaus ist außerdem zu beachten, dass viele potenzielle Quellen für Gefährdungen mehrfach wirken, als Beispiel sei ‚Lärm’ genannt, der einerseits das Gehör schädigen, andererseits aber auch zu Nervosität oder Unkonzentriertheit führen kann.

Die Gesetzeslage bezüglich der psychisch wirkenden Gefährdungen ist seit 1996 eindeutig: Das Arbeitsschutzgesetz verlangte von Anfang an, auch jene Gefährdungen zu erfassen und zu beseitigen, die sich z. B. "aus Arbeitsabläufen und Arbeitszeit und deren Zusammenwirken" oder aus "unzureichende[r] Qualifikation" ergeben (vgl. ArbSchG, § 5). Die Änderung des Arbeitsschutzgesetzes im Oktober 2013 hat also lediglich betonend hinzugefügt, dass auch "psychische Belastungen" (ArbSchG § 5, 3, 6) zu den Gefährdungsfaktoren, also den möglichen Quellen für Gefährdungen gehören.

Novellierung des Arbeitsschutzgesetzes

Die Änderung des Arbeitsschutzgesetzes erfolgte durch Artikel 8 des Gesetzes zur Neuorganisation der bundesunmittelbaren Unfallkassen (BUK-NOG, auch: BUK-Neuorganisationsgesetz) vom 19.10.2013. Sie trat in Kraft am 25.10.2013 (BGBl. I S. 3836).

Neben der Hinzufügung von Satz 6 ("psychische Belastungen bei der Arbeit") zu § 5, Absatz 3, erfolgte auch eine Änderung von § 4, Absatz 1, wo es nun verdeutlicht heißt: "Die Arbeit ist so zu gestalten, dass eine Gefährdung für das Leben sowie die physische und psychische Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst gering gehalten wird" (Hervorhebung durch die Autorin).

Allerdings haben sich die betrieblichen Akteure des Arbeitsschutzes bisher eher schwer damit getan, Gefährdungsbeurteilungen durchzuführen, die auch psychisch wirkende Gefährdungen erfassen, und darauf aufbauend geeignete Arbeitsschutz-Maßnahmen dagegen zu entwickeln und durchzuführen. Neben unterschiedlichen Interessenlagen sind es vor allem Missverständnisse und Unklarheiten, die dazu führen, dass das Thema nicht oder nur zaghaft angepackt wird.

 

Psychische Belastungen und psychische Erkrankungen

Trotz wiederholter Medienberichte über den eklatanten Anstieg psychischer Erkrankungen in Deutschland gibt es nach wie vor eine Stigmatisierung psychisch erkrankter Menschen. Wer hätte hingegen bei einem Armbruch mit der Unterstellung zu rechnen, 'mit einem stimme etwas nicht'? Auch dieses Problem, also der Umgang mit psychisch Erkrankten, ist in den Betrieben hochaktuell und für viele Interessenvertretungen eine schwierige Aufgabe. Für den Schutz vor psychisch wirkenden Gefährdungen ist jedoch festzuhalten:

Mit der Arbeit verbundene psychische Belastungen sind nicht mit psychischen Erkrankungen gleich zu setzen. Lang andauernde psychische Fehlbeanspruchungen können nicht allein z. B. psychosomatische Erkrankungen und Depressionen auslösen, sondern auch Muskelverspannungen, Rückenschmerzen und erhöhtes Krebsrisiko.

 

 

Was ist dann "psychisch" an den psychischen Belastungen? Es ist der "Ort", die Ebene ihrer Einwirkung.

 

Psychische Belastungen und "Stress"

Ein weiteres Hindernis für die betriebliche Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben ist die begriffliche Unschärfe bis Widersprüchlichkeit, die der inflationäre Gebrauch von Wörtern wie z. B. "Stress" mit sich gebracht hat. Dabei ist sogar in Normen definiert, was eine psychische Arbeitsbelastung ist!

In den Normen DIN EN ISO 10075 (1 – 3) „Ergonomische Grundlagen bezüglich psychischer Arbeitsbelastung“ ist „psychische Belastung“ klar definiert als:

„Gesamtheit aller erfassbaren Einflüsse, die von außen auf den Menschen zukommen und psychisch (seelisch) auf ihn einwirken“.

(Norm zitiert nach „Integration der psychischen Belastungen in die Gefährdungsbeurteilung – Handlungshilfe“.
BAuA (Hrsg.), Dortmund. 5. überarb. u. durchgeseh. Aufl. Juli 2012, S. 6.)

Damit sind Einflüsse auf wahrnehmende, informationsverarbeitende und gefühlsmäßige Vorgänge im Menschen gemeint. Während körperliche (physische) Belastungen z. B. auf Muskeln, Knochen, Gelenke und Haut einwirken, wirken psychische Belastungen auf die Sinnesorgane, auf Denken, Lernen, Gedächtnis, Konzentration und Empfindungen.

Entscheidend für die Definition psychischer Belastungen ist also, worauf sie wirken - noch ohne Aussagen darüber, wie sie wirken. Beispielsweise Zeit- und Termindruck sind eben solche äußeren auf die Psyche wirkenden Einflüsse, man denke nur an die Konzentrationsfähigkeit.

Von "Stress" wiederum ist sehr unterschiedlich die Rede: Teils als Ursache, teils als Auswirkung (siehe z. B. das umgangssprachliche "ich bin gestresst"). Klar ist jedoch: Es geht hierbei um erfassbare äußere Einflüsse, die auf die Psyche des Menschen einwirken. Solche erfassbaren Ursachen für Stress (Stress-Auslöser oder auch: Stressoren) in Zusammenhang mit der Arbeit sind beispielsweise: Zeit- und Termindruck, unklare oder sich widersprechende Vorgaben, unzureichende Informationen zur Bewältigung der Arbeitsaufgabe.

Zu diesen Stressoren kommt noch das Element der Nicht-Bewältigbarkeit hinzu. Stress wird in seiner Wirkung auf den Menschen definiert als:

„[...] unangenehm empfundener Zustand, der von der Person als bedrohlich, kritisch, wichtig und unausweichlich erlebt wird. Er entsteht besonders dann, wenn die Person einschätzt, dass sie ihre Aufgaben nicht bewältigen kann.“

(„Psychische Belastung und Beanspruchung im Berufsleben: Erkennen – Gestalten“,
BAuA (Hrsg.), Dortmund 5. Aufl., Juni 2010, S. 13)

Stress hat das Merkmal der Nicht-Bewältigbarkeit

Eine Definition mit deutlicherem Bezug zur Arbeit: „Arbeitsbedingter Streß wird verstanden als ‚emotionale und psychophysiologische Reaktion auf ungünstige und schädliche Aspekte der Arbeit, des Arbeitsumfelds und der Arbeitsorganisation. Streß ist ein Zustand, der durch hohe Aktivierungs- und Belastungsniveaus gekennzeichnet ist und oft mit dem Gefühl verbunden ist, man könne die Situation nicht bewältigen’“ (Europäische Kommission, Generaldirektion V, 1997).

(„Streß im Betrieb? Handlungshilfen für die Praxis“ BAuA (Hrsg.)
Dortmund/Berlin/Dresden 4. korr. Aufl. Mai 2001. S. 7)

Man könnte diese Definition eventuell so missverstehen, dass das Kriterium der Nicht-Bewältigbarkeit stark von der einzelnen Person abhinge. Dazu lässt sich bereits einwenden, dass eine individuelle Einschätzung kein Ergebnis einer situativen Laune ist, sondern das Ergebnis von - oft jahrelangen - Erfahrungen. Wichtiger ist jedoch, dass eine solche Interpretation nicht den Arbeitsschutz-Standards entspricht: Wie in allen anderen Fällen der Gefährdungsbeurteilung geht es auch hier um die Analyse der Arbeitstätigkeiten. Dadurch zeigt sich, ob etwas Bedrohliches/Kritisches unausweichlich nicht bewältigbar ist oder nicht. Beispiele aus der heutigen Arbeitsrealität gibt es leider viele.

Beispiele für Nicht-Bewältigbarkeit: Nachtwache im Altenpflegeheim und ver.di "Nachtdienst-Check" in der Krankenpflege

Eine Nachtwache in einem Altenpflegeheim berichtete davon, dass sie nächtens für alle beiden dortigen Stationen zuständig sei und dies in der Zeit von 23.00 Uhr bis 5.30 Uhr als einzige Beschäftigte im ganzen Haus. Diese Arbeitssituation belaste sie sehr, weil schon mehrfach Situationen eingetreten seien, wo Bewohner gleichzeitig geklingelt hätten. Es sei völlig unmöglich, zwischen den beiden Stationen auf zwei Stockwerken hin und her zu laufen, auch habe es bereits kritische Situationen gegeben, wo sich verwirrte Bewohner in gefährliche Situationen gebracht hätten.

Unausweichlich: Die Nachtwache kann unmöglich an mehreren Orten gleichzeitig sein. Die „Einschätzung“, die Arbeitsaufgabe nicht bewältigen zu können: In der allnächtlichen Arbeitssituation ist es durchaus wahrscheinlich, dass an anderer Stelle im Altenpflegeheim ein Unfall oder sonstiger Notfall erfolgt, während sie einen Bewohner versorgt. Gegen so eine Arbeitssituation helfen weder bessere Arbeitstechniken noch Entspannungsübungen, sondern nur eine bessere Personalausstattung!

Dem anonymisierten Beispiel aus der Altenpflege lassen sich die Ergebnisse des ver.di „Nachtdienst-Checks“ im März 2015 zur Seite stellen (Nachts ist Pflege gefährlich - ver.di „checkt“ die Arbeitsbedingungen von 2983 Klinik-Beschäftigten aus ver.di NEWS vom 24.03.2015).

Nachts ist Pflege gefährlich – für die Patienten und die Beschäftigten.

 

Häufig liegt es an diesem (vermeintlich) Individuellen, weshalb wenig oder nichts gegen die psychisch wirkenden Gefährdungen unternommen wird. Dabei sind die biologischen Auswirkungen von "Stress" mittlerweile gut untersucht.

Der Stressmechanismus

Zweifelsohne ist damit nicht "automatisch" etwas über die Folgen, hier im Sinne von Fehlbeanspruchungen gesagt. Das gilt doch aber für die meisten Gefährdungen! Sie sollen ja erst gar nicht zur Gefahr werden. So gibt es klare Vorgaben für die Gestaltung von Bildschirmarbeitsplätzen - ohne Diskussionen darüber, dass doch nicht jeder dort arbeitende Mensch ohne diese vorgeschriebene Gestaltung einen Bandscheibenvorfall erleiden wird.

"Stress" und seine Folgen - Psychische Beanspruchung

Folgen von Stress

Als mögliche gesundheitliche Beeinträchtigungen (Folgen) werden beispielhaft genannt: „Befindlichkeitsstörungen, Angstzustände, hoher Blutdruck, nervöse Magenschmerzen, steigendes Herzinfarktrisiko, sinkende Leistung, erhöhte Fehlerzahl.“

Psychische Belastung und Beanspruchung im Berufsleben: Erkennen – Gestalten“,
BAuA (Hrsg.), Dortmund 5. Aufl., Juni 2010, S. 13

Siehe darüber hinaus zu Fehlbeanspruchungen im Sinne der DIN EN ISO 10075: „Integration der psychischen Belastungen in die Gefährdungsbeurteilung– Handlungshilfe“. S. 8 - 11.
BAuA (Hrsg.), Dortmund. 5. überarb. u. durchgeseh. Aufl. Juli 2012

Psychische Beanspruchung

"Die unmittelbare (nicht die langfristige) Auswirkung der psychischen Belastung im Individuum in Abhängigkeit von seinen jeweiligen überdauernden und augenblicklichen Voraussetzungen, einschließlich der individuellen Bewältigungsstrategien. Bei der Beanspruchung geht es also um die Reaktion des einzelnen Menschen. Solch eine Reaktion kann Freude oder Ärger sein verbunden mit entsprechenden Gedanken 'Oh wie schön' oder 'Oh wie ärgerlich'. Hier liegt für viele das Problem mit den psychischen Belastungen. Was den einen ärgert, freut den Nächsten und dem Dritten ist es ganz egal. Man kann eigentlich erst im Nachhinein feststellen, ob sich eine Arbeitsbedingung (also ganz neutral die psychische Belastung) positiv oder negativ auswirkt. Die Forschung hat gezeigt, dass es einige Bedingungen gibt, die sich mit hoher Wahrscheinlichkeit bei den meisten Menschen negativ auswirken, vor allem wenn die Merkmale kombiniert auftreten. Man spricht dann von 'Psychischen Fehlbelastungen'. Das sind also Belastungen, die auf Dauer mit großer Wahrscheinlichkeit bei den meisten Menschen zu negativen Auswirkungen führen."

(„IAG-Report I/2013: Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen - Tipps zum Einstieg“,
DGUV (Hrsg.), Berlin, überarb. 04-2015, S. 21f.)

 

(Beteiligungsorientierte) Arbeitsschutz-Maßnahmen gegen psychisch wirkende Belastungen

Hier wie bei allen anderen Gefährdungen leiten sich Arbeitsschutz-Maßnahmen aus der Analyse der Arbeitstätigkeit mit all ihren Aspekten ab. Die beste Methode, zu geeigneten, wirksamen Arbeitsschutz-Maßnahmen (besonders bei psychisch wirkenden Gefährdungen) zu gelangen, besteht darin, die Beschäftigten zu beteiligen.

Als Expertinnen und Experten für die von ihnen verrichtete Arbeit können sie genau benennen, worin die Gefährdungen bestehen – sie erleben es ja täglich! Oft haben sie außerdem konkrete und detaillierte Vorschläge, wie diese Gefährdungen beseitigt oder minimiert werden können. Und dabei dann vor allem Vorschläge, die realisierbar sind – weil die Verbesserungsideen aus dem Arbeitszusammenhang stammen!

Arbeitsschutz-Maßnahmen gegen psychisch wirkende Belastungen

Beispiele für Arbeitsschutz-Maßnahmen gegen psychische Belastungen lassen sich beispielsweise entnehmen aus www.gefaehrdungsbeurteilung.de (dort unter Expertenwissen). Als „Psychische Faktoren“ sind dort genannt: Ungenügend gestaltete Arbeitsaufgabe – Ungenügend gestaltete Arbeitsorganisation – Ungenügend gestaltete soziale Beziehung – Ungenügend gestaltete Arbeitsplatz- und Arbeitsumgebungsbedingungen, Arbeitszeitgestaltung.

Als Analyseinstrument für die Mitbestimmung bei den Gefährdungsbeurteilungen bietet ver.di eine umfangreiche und detaillierte Checkliste "Kriterien zur Orientierung bei der Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen zu psychischen Belastungen" , in der ebenfalls viele beispielhafte Maßnahmen aufgeführt sind. Diese Checkliste der ver.di Bundesverwaltung Bereiche Tarifpolitische Grundsätze sowie Genderpolitik ist zugänglich als Download.

Ein weiteres Problemfeld beim betrieblichen Handeln gegen psychische Belastungen  aus der Arbeitstätigkeit liegt im Bereich des Umgehens mit dadurch ausgelösten Fehlbeanspruchungen. Genau so wenig wie ein „Das schaff’ ich doch locker!“ beim anpackenden Heben und Tragen schwerer Lasten vor Schäden des Muskel- und Skelettapparates schützt, ebenso wenig ist „Das macht mir nichts aus!“ ein Indiz dafür, dass der jeweilige Mensch gegen die krankmachenden Folgen langanhaltenden Arbeitens unter hohem Zeitdruck geschützt sei.

Eigentlich ergeben sich daraus für den Arbeitsschutz keine Probleme: Sind doch die Arbeitstätigkeiten zu analysieren und von ihnen ausgehende Gefährdungen zu beseitigen, unabhängig davon, wie sie sich auf verschiedene Individuen auswirken könnten. In der betrieblichen Praxis wird jedoch insbesondere bei psychischen Belastungen hinterfragt, wie sich Fehlbeanspruchungen messen lassen könnten, es sei doch sehr individuell wie jemand z. B. mit Stress umgehe. Dabei bietet doch gerade die Beteiligung der Beschäftigten, insbesondere ihre Befragung, die Möglichkeit der Objektivierung! Denn bei dieser Herangehensweise zeigt sich sehr schnell, ob Fehlbeanspruchungen bei mehr als wenigen Einzelnen vorliegen.

Sensibilisierung und Aufklärungsarbeit – auch darüber, worum es beim Arbeitsschutz geht – sollten in der Praxis also stets mit der Beteiligung der Beschäftigten einhergehen und nicht über sie hinweg. Neben Beschäftigtenbefragungen mit (elektronischen) Fragebögen wie etwa mit dem DGB-Index Gute Arbeit gibt es für die Praxis weitere Instrumente zur Befragung - insbesondere Wandzeitungen haben sich vielfach bewährt. Die ver.di-Wandzeitung zur Gefährdungsbeurteilung psychischer Fehlbeanspruchungen ist ein gut geeignetes Werkzeug,

  • um für das heikle Thema "Psyche" im Arbeitszusammenhang zu sensibilisieren, das Thema zum Thema zu machen, den Prozess hin zur vollständigen Gefährdungsbeurteilung voran zu treiben
  • im kleineren Rahmen (kleinere Betriebe oder einzelne Abteilungen größerer Betriebe) den ersten Schritt der Gefährdungsbeurteilung psychischer Fehlbeanspruchungen durchzuführen

 

  

ver.di-Wandzeitung: zur Ansicht - Einführung - Bestellschein Wandzeitung

Haben auf einer Betriebs- oder Personalversammlung eine große Anzahl von Beschäftigten beispielsweise gepunktet, dass sie häufig unter hohem Zeit- oder Termindruck arbeiten und sie dies (umgangssprachlich) belastet, ist sowohl die Unterstellung, es gäbe außer in wenigen Ausnahmesituationen doch gar keinen Stress, als auch die, bis auf einzelne „Mimosen“ würde niemand darunter leiden, schlagartig und nachhaltig vom Tisch! Die überindividuelle Fehlbeanspruchung ist damit auf der Basis eines orientierenden Verfahrens gemessen.

Nebenbei bemerkt: Durch solchen Einsatz von Wandzeitungen oder anderen Befragungstools auf Betriebs- und Personalversammlungen lässt sich das heikle Thema „Psyche“ gut zum Thema machen. So gelingt auch ein guter Einstieg in die Entstigmatisierung betroffener Kolleginnen und Kollegen. Zumeist ist auf den Versammlungen eine große Erleichterung zu spüren, wenn die kollektive Situation deutlich wird.

Nachvollziehbar: Wird doch durch so ein Sichtbarmachen aus dem bangen „Ich schaff’ das nicht mehr“ vieler Einzelner das, was es in Wirklichkeit ist: Ein Arbeitsschutzproblem aufgrund fehlender oder ungenügender Maßnahmen gegen psychisch wirkende Gefährdungen.

Autorin: Anna Wirth

 

Hervorragend für den betrieblichen Einsatz geeignete Arbeitsschutzfilme
finden sich hier,

sowie weitere Materialien zum Thema: hier